28 May 2014

Maßvoll ist das nicht: Der 17. Juni 1953 und die LINKE


Ob die überhaupt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird ist eine andere Frage, dass diese Menschengruppe tätig sind ist eine Tatsache: In August 2007, zwei Monaten nach Entstehung der Linkspartei, hat diese Partei eine Historische Kommission gebildet. Die Historische Kommission (HK) arbeitet heute noch auf Grundlage von einem Beschluss des Parteivorstands der damaligen PDS aus dem Jahr 2001. Aus 27 Mitglieder insgesamt gibt es vier weibliche Mitglieder.

Ich stehe die Linkspartei nah, vor allem wegen ihrer Gerechtigkeitspolitik und ihrer Bekämpfung von Waffenexporten, bin aber kein aktives Mitglied. Eine tiefer gehende, offene Gesprächskultur, über die Vergangenheit aller Mitglieder der Partei, fehlt es mir, gänzlich. Ich hatte gehofft, dass die HK neuer Arten von Gesprächen in der Partei ermöglichen könnte. Neue Stellungnahmen zu wichtigen historischen Ereignisse könnten zu neuen Beziehungen mit der Vergangenheit führen: Hatte ich mir gewünscht. In der Stellungnahme vom Sprecherrat der H.K. 'Der 17. Juni 1953 im Bannkreis politischer Interessen' (veröffentlicht Mai 2013) wird diesen Aufklärungsauftrag nicht vollbracht. 
 
Dort wird behauptet, dass „die Befunde der zeitgeschichtlichen Forschung den sowjetischen Truppen ein maßvolles Vorgehen [während der Tage um den 17. Juni 1953] bescheinigen.“ Mit dieser Aussage wird sämtliche Befunde der zeitgeschichtlichen Forschung, die genau das Gegenteil bescheinigen, aller Bedeutung aberkannt, vermutlich weil einiger dieser Befunde von den falschen Leute veröffentlicht worden sind: Laut Aussagen in Die Toten des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 (veröffentlicht 2004) gibt es 55 Todesopfer des Aufstands die durch Quellen belegt sind. Dieses Buch wurde aber von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur verlegt. Fall die HK wollen, dass ihre Stellungnahmen in der Öffentlichkeit ernst genommen wird, wäre es ratsam die Arbeit von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur zumindest im Betracht zu nehmen.

Selbst wenn wir die Ergebnisse von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur ignorieren würden, selbst wenn wir bei der Anzahl von 25 Todesopfer blieben, die die SED Regierung zur DDR Zeiten zugegeben hat: Wieso darf diesen militärischen Einsatz gegen einer weitgehend friedlichen Gruppe von Aufbegehrenden, einen Einsatz, der mitverantwortlich war für aller mindestens 25 Todesfälle, als „maßvoll“ bezeichnet werden? Die HK weißt es sehr wohl: Wenn ein einziges Mensch bei oder unmittelbar nach einer Demo in Deutschland heutzutage von der Staatsgewalt getötet wäre, gäbe es kein einziges Mitglied der Linkspartei, der dieses Vorgehen „maßvoll“ in der Öffentlichkeit nennen würde.

In der Stellungnahme der HK, die von Jürgen Hofmann erarbeitet wurde, räumt Hofmann ein, dass „die Einstufung des 17. Juni 1953 als ''faschistischer Putsch'' bzw. Konterrevolution in der DDR blockierte die kritische Auseinandersetzung mit eigenen politischen Fehlern und systembedingten Ursachen.“ Des weiteren beschreibt Hofmann das Schicksal von Max Fechner, der DDR-Justizminister, der auf das in der Verfassung verankerte Streikrecht der Demonstranten verwiesen hatte und damit – so die Position der SED-Führung –, angeblich ''faschistischen Umtrieben'' geleistet hatte. Fechner wurde zu einer hohen Zuchthausstrafe verurteilt, war aber bereits nach drei Jahren in 1956 aus dem Haft entlassen, und relativ schnell auch rehabilitiert: In 1958 wurde seine Parteimitgliedschaft wieder hergestellt, in 1967 erhielt Fechner den Vaterländischen Verdientsorden in Gold.

Es ist bemerkenswert, dass Fechner der einziger Akteur von den Tagen um den 17. Juni 1953 ist, der in der Stellungnahme der HK bei Namen genannt wird. Nach meinem Verständnis der Geschichte sind die Menschen wichtiger, die zwischen den 17. bis zum 22. Juni 1953 vor Standgerichten, die von sowjetischen Truppen eingesetzt waren, geschossen worden sind. U.a hier zu benennen sind Alfred Diener aus Jena, der Westberliner Willi Göttling und die beiden Magdeburger Alfred Dartsch und Herbert Stauch. Zwei anderen Menschen die an den Aufständen beteiligt waren, Erna Dorn und Ernst Jennrich, waren in einer Zusammenarbeit zwischen sowjetischen Kräfte und SED-Staatsgewalt angeklagt, und zu besonderen harten Strafen verurteilt: Die waren enthauptet, Erna Dorn in 1953, Ernst Jennrich in 1954. Ich frage nochmal, und überhaupt nicht als rhetorische Frage gemeint: Wie kann Jürgen Hofmann und die andere Mitglieder des Sprecherrats solcher Gewaltakte unter die Bezeichnung „maßvoll“ vertuschen wollen?

Hofmann endet mit einem Aufruf, die Geschichte der Tage um den 17. Juni 1953 zu entpolitisieren:

„Die Erfahrungen dieses Ereigniskomplexes [vom 17. Juni 1953] und seiner Einbettung in das welthistorische Bedingungsgefüge erschließen sich aber erst, wenn die Diskussion darum nicht mehr politisch einseitigen Zweckdeutungen unterworfen wird. Für diese Debatte kann und muss die LINKE einen Beitrag leisten.“

Weil die Historische Kommission nicht bereit ist, die offensichtliche Grausamkeit bei der Unterdrückung des Aufstands einzugestehen, einschließlich der Rolle, die von den sowjetischen Truppen gespielt wurde, bleibt den unvermeidbaren Verdacht, dass die HK selbst die historischen Ereignisse einer politischen Zweckdeutung unterwerfen möchte. Nur wenn die HK und anderen Mitglieder der Linkspartei bereit sind, ein ehrliches Gespräch mit sich selbst und mit der Vergangenheit zu führen, kann die historische Debatte über den 17. Juni 1953 innerhalb des linkspolitischen Spektrums vorangetrieben werden.

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